
„Falscher Hase“: Steuerfahnder holen fast eine Viertelmilliarde Euro Steuern zurück
Die abgestimmte Großrazzia in sieben Ländern, bei der unter dem Operationsnamen „Huracán“ Luxusautos und sogar Immobilien beschlagnahmt wurden, hat im Juni 2023 die Schlagzeilen beherrscht. Es ging um eine professionelle Bande mit Bezügen zur italienischen Organisierten Kriminalität, die durch ein komplexes internationales Geflecht von Scheinfirmen im großen Stil Mehrwertsteuer bei Fahrzeugverkäufen hinterzogen hat – über sieben Jahre sollen die Drahtzieher knapp 40 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben. Inzwischen sind die Urteile gegen diese Beschuldigten gesprochen, sie wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Für die Steuerfahndung Nordrhein-Westfalen war dies allerdings bloß die „erste Welle“ der Ermittlungen: Durch die jahrelangen Ermittlungen seit 2021, Observationen und sichergestellten Beweismittel hat die Ermittlungskommission „Falscher Hase“ in der Folge mehrere weitere Zwischenhändler aufgedeckt, die in das kriminelle Netzwerk eingebunden waren. Das steuerliche Mehrergebnis, welches der Ermittlungskomplex bisher eingebracht hat, liegt bei knapp 240 Millionen Euro – das Gesamtergebnis nach Abschluss aller steuerstrafrechtlichen Maßnahmen wird nach aktuellem Stand weit über 300 Millionen Euro betragen und mehreren EU-Staaten zugutekommen.
„Die Ermittlungskommission ,Falscher Hase‘ zeigt eindrücklich, wie die Steuerfahndung beharrlich und effektiv arbeitet“, erklärt Minister der Finanzen Dr. Marcus Optendrenk. „Die Drahtzieher haben mit ihrem Scheinfirmengeflecht ein trickreiches Steuerbetrugskarussell aufgebaut, das sich über mehrere EU-Grenzen hinweg gedreht hat. Aber unsere Fahnderinnen und Fahnder sind drangeblieben – auch nach dem ersten Ermittlungserfolg. So konnten sie nachweisen, wie vernetzt der europäische Binnenmarkt der Betrüger ist: Teilweise teilten sich in diesem Fall unterschiedliche Tätergruppierungen ihre Zwischenhändler.“
Das Betrugssystem funktionierte so: Eine Pufferfirma in Nordrhein-Westfalen kaufte Fahrzeuge im Inland und ließ sich die gezahlte Mehrwertsteuer erstatten – diese sogenannte Vorsteuererstattung ist steuerrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. Anschließend verkaufte sie die Autos ins EU-Ausland leicht über dem deutschen Netto-Preis, was aber dank der Mehrwertsteuerbefreiung im europäischen Binnenmarkt immer noch attraktiv war. Diese Händler im Ausland werden „Missing Trader“ genannt: Tatsächlich verschwanden diese, kurz nachdem sie die Fahrzeuge weiterverkauft hatten – natürlich inklusive Mehrwertsteuer, die aber niemals an den Staat abgeführt wurde. Eben solchen Zwischenhändlern, welche sich ausschließlich auf dem Schattenmarkt bewegen, kam die nordrhein-westfälische Steuerfahndung in der Folge der „Huracán“-Aktion mehrfach auf die Schliche.
„Ein langjähriger Ermittlungskomplex wie dieser ist für uns nicht nur ein Marathon, sondern eher ein Zehnfach-Ironman“, verdeutlicht Stephanie Thien, Leiterin des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW), welches seit diesem Jahr die gesamte nordrhein-westfälische Steuerfahndung mit rund 1200 Expertinnen und Experten bündelt. „Allein die Strafakte zur ersten Ermittlungswelle umfasste über 100.000 Blatt Papier in 330 Ordnern. Die Betrüger-Ringe sind hochkomplex aufgestellt: Sie bewegen Geld und Waren zwischen realen, aber nicht angemeldeten Unternehmen in Deutschland und angemeldeten, aber nicht realen Unternehmen in mehreren anderen Ländern. Hier führen nur kriminalistisches Know-how auf höchstem Niveau, eine enge internationale Behördenkooperation und vor allem ein sehr langer Atem zum Erfolg.“
Und dieser ist im Fall der EK „Falscher Hase“ eingetreten, verdeutlicht Minister Dr. Optendrenk: „Wenn ein dreistelliger Millionenbetrag an Steuergeld aus den Kassen der Kriminellen zurückgeholt wird, ist das eine grandiose Bilanz. Es geht um mehr als Geld: Wer Steuern hinterzieht, schadet der Gesellschaft. Unsere Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass der Rechtsstaat durchgreift und kriminelle Strukturen konsequent bekämpft werden. Dafür bedanke ich mich bei unseren Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern.“